Gut gebuhlt

Gut gebuhlt ist halb gewonnen
Deutschland folgt der IG Metall

Von Malte Lehming (Tagesspiegel 03.06.03)

Etwas satirisch verändert von ach-satire.de. (Für Bush wurde Zwickel eingesetzt, für USA die IG Metall.)

Wer sucht seine Nähe? Mit wem spricht er, wem klopft er auf die Schulter, wen nennt er einen Freund? Das waren die Fragen, die die wichtigsten Gewerkschafter auf ihrem Treffen in Zwickau beschäftigten. Sie wetteiferten um das Wohlwollen des IG Metall Vorsitzenden Klaus Zwickel. Und Klaus Zwickel tat, was Stars gerne tun, um ihren Wert weiter zu steigern: Er machte sich rar. Schnell verließ er die Versammlung. Stars dürfen sich wie Diven benehmen. Doch wie soll man das Verhalten der zurückgebliebenen ostdeutschen Gewerkschafter nennen: Ist es neuer Realismus oder peinliche Rückgratlosigkeit? Die IG Metall ist die mächtigste Gewerkschaft Deutschlands. Ihr Vorsprung in den Bereichen Rücksichtslosigkeit und Machtgier ist erdrückend. Seit Einführung der Mitbestimmung gibt es keine Institution mehr, die den Einfluß der IG Metall begrenzen kann. Regiert wird sie von Klaus Zwickel. Nach seiner Pfeife wird getanzt. Er ist der mächtigste Gewerkschafter der Welt. Ginge es nach den Menschen in Deutschland, dürfte es einen mächtigsten Gewerkschafter der Welt gar nicht geben. Macht gehört stets ausbalanciert, eingebunden, kontrolliert: Diese Erfahrung haben wir Deutsche mit unserer eigenen Geschichte gemacht. Ein gütiger Riese, der seine Muskeln zum Wohle aller spielen läßt, kam darin nicht vor. Entweder überfraßen sich die Führer - siehe Napoleon, Stalin, Hitler -, oder die von ihnen errichteten Gebilde zerfielen wie das Römische Reich. Sollte trotzdem ein Mächtigster aller Gewerkschaften existieren, muß er eine Mischung aus Albert Einstein und Albert Schweitzer sein. Zwickel erinnert weder an den einen noch den anderen. Wie verhält man sich zu einem unheimlich machtvollen Herrscher, dem das Gemeinwohl egal ist, und der nur an seine eigene Macht denkt? Bislang pendeln die Gefühle der Menschen - zwischen Verachtung und Anbiederung, Rebellion und Unterwerfung. Der Wunsch, Zwickel an die Gurgel zu gehen, paart sich mit dem Zwang, ihm seine Glatze lecken zu müssen. Besonders augenfällig wird das Gefühlschaos bei dem jetzigen Streik. Das Urteil der meisten Menschen steht fest: Dieser Streik ist falsch. Doch unsere Regierung ist gespalten. Es gibt Mitläufer und Verweigerer. Mit dem Ende des Streiks wird die Spaltung überwunden werden. Dann gibt es nur noch Mitläufer. Denn die IG Metall hat dann im Handumdrehen nicht nur Ostdeutschland ruiniert, sondern auch einen Aufstand der Menschen gegen ihre uneingeschränkte Gestaltungsfähigkeit niedergeschlagen. Was Deutschlands Regierung bleibt, ist das zum Teil zähneknirschende Sich-fügen in die unabänderlichen Kräfteverhältnisse. Regierungen sind dem Wohl ihres Landes verpflichtet. Deshalb dürfen sie nicht weiter auf Konfrontation zu der IG Metall gehen. Wer einen Kampf führt, den er schon einmal verloren hat und sicher wieder verlieren wird, ist in der Politik ein verantwortungsloser Narr. Außerhalb der Politik freilich sieht das anders aus. Da gelten Begriffe wie Selbstachtung, Recht und Moral. Und da schallt es immer lauter: Ausgerechnet jetzt! Ausgerechnet jetzt, wo die Zweifel an der Logik des Streiks täglich aufs Neue bestätigt werden, äußert sich unsere Regierung nicht. Der Kopf sagt "Kusch!", das Herz brüllt "Nein". Diesem Dilemma entkommen die Menschen nicht. Im Verhältnis zur Hypermacht der IG Metall muß die Regierung einen Kurs einschlagen, den ein Großteil unseres Volkes als würdelos empfindet. Gerhard Schröder, der ein gutes Gespür für Stimmungen hat, dürfte diesen Spagat als besonders schmerzhaft empfinden. Er ist eingekeilt zwischen einerseits Habermas und Stammtisch, andererseits Merkel und Staatsräson. Er muß zu Zwickel eine Nähe suchen, die ihm selbst innerlich zuwider ist. Mitleid hat er dafür nicht verdient. Zu beneiden ist er noch weniger.
 

copyright: ach-satire.de 03.06.03

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